Ehrenpreis der Baden-Württembergischen Filmschau

Man müsse nur lange genug warten und alt genug werden, hat einmal jemand gesagt, dann kämen Ehrungen und Preise wie von selbst. Am 4. Dezember 2016 erhielt ich den Baden-Württembergischen Ehrenfilmpreis.

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von links nachs rechts: Gudrun Schretzmeier, Felix Huby, Trudel Wulle, Walter Schultheiß.

Laudatio von Brigitte Dithard

Vorrede

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Brigitte Dithard, Fernsehspielredakteurin beim SWR.

„Manchmal genügt ihm ein Satz, um eine Figur zur Person zu machen, und seine Handhabung der Sprache ist dabei unübertroffen.“ So schreibt „Die Zeit“ über Felix Hubys autobiographischen Roman „Heimatjahre“. Ich werde ein paar Sätze mehr brauchen, um die Figur Felix Huby zu beschreiben, und werde es am Ende vielleicht doch nicht geschafft haben.

Anrede

Damit fängt’s schon an. Eigentlich heißt Du Eberhard Hungerbühler. Ein alter schwäbischer Name. Deine Figuren tragen auch oft solche Namen. Sie heißen Finkbeiner, Huttenlocher, Ebinger, und schon damit wird ihre Herkunft nicht verschweigen sondern betont. Ehrliche, schwäbische Namen hast Du sie mal genannt. Deinen eigenen Namen Hungerbühler hast Du aufgegeben. Aufgeben müssen, denn als Spiegel-Korrespondent in Stuttgart, der sich mit den ernsten Dingen des Lebens beschäftigte, konntest Du nicht gleichzeitig für so etwas Unseriöses wie einen Kriminalroman firmieren. Der investigative Journalist, der als einziger in Deutschland ein Interview mit den RAF-Terroristen

geführt hat, konnte nicht Autor erfundener Geschichten sein. Zumindest nicht wenn’s nach Deinem Chefredakteur ging. Und so kam’s zu der Abkürzung Huby, der Du einen Glücksnamen vorangesetzt hast, Felix, bei dem Dich freilich keiner nennt, der Dich kennt. Das war das erste, was ich über dich gelernt habe. Sag niemals Herr Huby oder Felix, der Huby heißt Huby und wird auch so genannt.

Ich fange also noch einmal an:

Lieber Huby,

jetzt habe ich schon zwei Deiner Tätigkeiten genannt, Journalist und Romanautor. Wenn Du heute aber den Ehrenpreis der Baden-Württembergischen Filmschau bekommst – wozu ich Dir herzlich gratuliere – dann für Dein Filmschaffen, das freilich ohne die beiden anderen Tätigkeiten nicht zu denken ist. Die Arbeit für den Film nimmt aber den größten Raum in Deinem Werk ein und als Drehbuchautor habe ich Dich kennengelernt.

Manche Drehbuchautoren würden gern mal einen Roman schreiben. Du hast Romane geschrieben und ein bisschen gehofft, dass das Fernsehen auf Dich zu kommen würde. Und das ist dann auch geschehen.

Ein Produzent, der Deine Romane gelesen hatte, bat Dich, eine Geschichte für die Reihe „Es muss nicht immer Mord sein“ zu schreiben. Das war Deine erste Arbeit fürs Fernsehen, und sie war offenbar so gut, dass dann Georg Feil kam, der damals Produzent bei der „Bavaria“ war. Er wollte für einen neuen Tatort einen Autor, der ausschließlich aus der Perspektive des Kommissars schreiben konnte, wie er es in Deinen Romanen gesehen hatte. Nach einem Treffen mit Götz George, dem Produzenten und zwei weiteren Autoren, bei dem Ihr über die Figur gesprochen hattet, bist Du nach Hause gefahren, hast von Freitag bis Montag durchgeschrieben und am Ende stand ein fertiges Drehbuch. Das war der zweite Schimanski-Tatort, „Grenzgänger“ und die Figur war erfunden.

Deine Heimat beim Fernsehen wurde jedoch der Süddeutsche Rundfunk. Der damalige Fernsehspiel-Chef, Reinhart Müller-Freienfels, hat Dich geholt für eine Krimiserie mit Walter Schultheiß „Köberle kommt“. Das waren auch die Fernsehanfänge von Dominik Graf, der dabei Regie führte. Und da hast Du Walter Schultheiß kennen gelernt, für den Du danach noch so viel geschrieben hast.

Deine Arbeit damals beschreibst Du folgendermaßen: Da hatte man eine Idee, hat drüber gesprochen und dann hat man’s g’macht. „Ich hab‘ denkt, so geht Fernsehen“, hast Du gesagt. Das blieb nicht so. Es kam die Zeit der Mitredner: Produzenten, Redakteure, Regisseure. Und wie immer, wenn man mit Menschen redet, kann das klappen, Spaß machen und einen weiter bringen, oder es ist mühsam, ärgerlich und verletzend. „Manches ist schief gegangen“, hast Du gesagt. Und mancher hat sich auch im Ton vergriffen: „Also von Dramaturgie hast Du ja gar keine Ahnung“, hat Dir mal jemand gesagt. Gut, dass Du so eine kluge Frau hast. Die meinte nur: „Stimmt, brauchst Du auch gar nicht, denn Du machst von selbst alles richtig.“ Und so habe ich Dich auch erlebt. Ich weiß noch, als wir den Tatort „Bienzle und der Tod in der Markthalle“ entwickelt haben. Da ging es um einen geistig zurück gebliebenen jungen Mann, dessen Vater ermordet worden war und der Bienzle ein bisschen an Vater statt adoptierte. Da kam ein Einbruch im Haus des Jungen vor, den Bienzle entdecken sollte. Da schlug ich vor, Bienzle könnte da sein, wenn der Einbrecher kommt – nicht ahnend, was Du daraus machen würdest. Als die nächste Fassung kam, hattest Du eine ganze Reihe wunderbarer Szenen geschrieben: wie Bienzle mit dem Jungen Memory spielt, wie sie miteinander übers Leben sprechen, wie Bienzle ihn ins Bett bringt, wie der Junge Bienzle nach dem Einbruch ein Pflaster auf die Stirn klebt und ihn tröstet. Das ging so sehr ans Herz, wie es nur einer schreiben kann, der nicht aus dramaturgischem Kalkül sondern eben mit Herz schreibt. Manches ist schief gegangen, manches ist aber auch gut gegangen. Deine Serie „Oh Gott, Herr Pfarrer“ zum Beispiel, die Du beim SDR erfunden und geschrieben hast. Ein Meilenstein in der deutschen Seriengeschichte. Die erste Serie überhaupt, in der der Lebensalltag einer evangelischen Pfarrersfamilie mit allen Höhen und Tiefen erzählt wurde. Die Zuschauerbriefe füllten Ordner. Ganz besonders erregte die Gemüter, dass ein Pfarrer fast zu spät zu einer Beerdigung kommt und danach wieder zu seiner Frau zurück ins Bett kriecht. Aber das Menschliche liegt Dir nah, und ein Pfarrer ist eben auch nur ein Mensch.

Du hast sehr viel geschrieben: Krimis, Komödien, Dramen mit unterschiedlichsten Figuren. Doch bei allem scheint die Heimat durch. Das ist nicht immer der Dialekt sondern eher ein Gefühl für Landschaft oder für Zugehörigkeit oder fürs Archaische.

Mit Kommissar Bienzle hast Du all das miteinander verbunden und zudem das Schwäbische bundesweit salonfähig gemacht. Bienzle, dieser Botschafter der Mundart, der Deine Liebe zur Schwäbischen Alb teilt, Deine Sprache spricht und mit der etwas spröden Art den Schwaben eine Verkörperung gibt, war Deine erste Romanfigur und hat Dich immer begleitet. Auch als sie schon längst zur Filmfigur im Tatort geworden war, hast Du weiter Romane über sie geschrieben. Als Autor dieser Tatorte habe ich dich kennengelernt. Dabei sind mir Figur wie Erfinder ans Herz gewachsen. Es macht gar keinen so großen Unterschied, ob man sich mit wahren oder erfundenen Menschen beschäftigt. Wenn die erfundenen wahrhaftig sind, wie bei Dir, dann sind sie fast lebendig. Für den Autor so sehr, dass sie, wie Du selbst sagst, beim Schreiben sowieso machen, was sie wollen.

Deine schwäbischste und für Dich auch wichtigste und beste Serie ist aber „Der König von Bärenbach“ mit Walter Schultheiß als Altbürgermeister. Der hat sich nach der Wahl seines Nachfolgers, gespielt von Christoph Hofrichter, mit dem Satz in die Serie eingeschrieben: „Mir isch egal, wer unter mir Bürgermeister isch.“ Das ist so einer der Sätze, die der Zeitkritiker meint. Da zeigst Du, wie genau Du mit Sprache umgehst. Und man kann sich darin wieder erkennen, über sich lachen und sich einfach dran freuen, dass es da einer auf den Punkt bringt, wie man selbst es nicht kann.

Nachrede

Etwas auf den ersten Blick ganz Unschwäbisches habe ich an Dir kennengelernt: Das ist Deine Großzügigkeit. Ich meine nicht, dass es nahezu unmöglich ist, mit Dir essen zu gehen und dabei selbst zu bezahlen. Ich meine, Deine Art, mit Menschen umzugehen, sie gewähren zu lassen, ihnen ihre Eitelkeiten durchgehen zu lassen, über ihre großen und kleinen Fehler hinwegzusehen und selbst denen, die Dich verletzt haben, zu verzeihen. Das traut man den Schwaben, denen gemeinhin besserwisserische Erbsenzählerei zugesprochen wird, gar nicht zu. Diese Großzügigkeit ist aber Ausdruck von Demut und Bescheidenheit und somit doch wieder zutiefst schwäbisch. Und es ist Ausdruck einer Kenntnis der menschlichen Seele mit ihren Abgründen und Fehlbarkeiten. Und womöglich ist es dieser tiefe und gleichzeitig großzügige Blick in diese Seele, der Dein Schreiben so wahrhaftig und so menschlich macht. Du bist ein Schreiber, der dabei immer auch ein Menschenleser ist.

Auch, wenn Du fürs Fernsehen nun nicht mehr schreibst und Deine Liebe zum Theater entdeckt hast und wieder Romane, jetzt autobiographische, schreibst, weiß ich, dass das Schreiben, das bei Dir ja auch Leben ist, diese Menschlichkeit nie verlieren wird.

Hubys Danksagung

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Die Antwort des Geehrten.

Mein erster Dank gilt natürlich Brigitte Dithard, für ihre Laudatio. Ich müsste lügen, wenn ich sagen sollte, dass ich mich in ihren Worten nicht erkannt hätte. Mein Dank, liebe Brigitte, gilt nicht nur dieser wunderbaren Rede, sondern vielmehr noch unserer jahrelangen, guten Zusammenarbeit, in der Du Dich als kompetente, kreative und einfühlsame Redakteurin erwiesen hast.

Und natürlich danke ich dem Filmbüro Baden-Württemberg – nicht in erster Linie, weil ich diese Anerkennung nach einer über 35jährigen Autorenschaft für Film- und Fernsehen erhalte, sondern weil überhaupt einmal ein Drehbuchautor ausgezeichnet wird. Der normale Zuschauer hat ja kaum eine Ahnung davon, dass man für einen Film so etwas wie ein Drehbuch braucht.  Als ich im Jahr 2007 in Wien die Goldene Romy für das beste Drehbuch des Jahres bekam, fand die Verleihung am Abend vor der offiziellen Gala in dem Hotel statt, in dem wir wohnten, während Schauspieler, Regisseure, Produzenten, Komponisten und viele mehr am Tag darauf bei einer opulenten Feier in der Wiener Hofburg geehrt wurden.

Wer das Drehbuch zu einem Film geschrieben hat, wird in der Öffentlichkeit, vor allem von den Programmzeitschriften, aber auch in den Nachspännen am Ende der Ausstrahlung, weitgehend verschwiegen. Ein Film „von“ ist ein Film vom Regisseur, manchmal auch vom Produzenten, aber in der Wahrnehmung der Zuschauer ist der Film nie vom Drehbuchautor. Ich nehme diese wunderbare Ehrung auch im Namen all meiner viel zu oft nicht erwähnten Kollegen entgegen.

Sie kennen vermutlich alle die Antwort Billy Wilders auf die Fragen, was die drei wichtigsten Dinge für einen Film seien. Er sagte: Erstens ein gutes Buch, zweitens ein gutes Buch und drittens ein gutes Buch. Nun gut, er hat selber als Drehbuchschreiber angefangen.

Samuel Goldwyn aber war Produzent und von ihm stammt der Satz: „So wie ein Fluss nicht höher steigen kann als der Quell, aus dem er entspringt, so kann ein Film nicht besser werden als die Geschichte, die er erzählt“  und die kommt nun mal in aller Regel aus der Feder des Drehbuchautors.

Zum Glück bin ich in meiner Autorenlaufbahn auch immer wieder  Leuten begegnet, die das erkannt haben. Einer von Ihnen, Werner Sommer, der einstige Fernsehspielchef des Süddeutschen Rundfunks, ist leider nicht mehr unter uns. Mit ihm zusammen konnte ich Serien wie „Oh Gott, Herr Pfarrer“, „Der König von Bärenbach“,  „Der Eugen“ und den Tatortkommissar Ernst Bienzle entwickeln und schreiben. Ich bin ihm für alle Zeiten dankbar. Und ich freue mich, dass seine Frau Ingeborg heute dabei ist.

In der Branche wird ja behauptet, man könne mit Schauspielern nicht befreundet sein. Und ich könnte jetzt eine ganze Reihe aufzählen, auf die das zutrifft. Aber zwei Ausnahmen gibt es, bei denen ich mich bedanken möchte und ohne die meine Erfolge nicht denkbar wären: Dietz Werner Steck, mein Bienzle. Er kann krankheitsbedingt leider nicht hier sein, umso mehr freue ich mich, dass seine Frau Hanna unter uns ist.

Und dann natürlich Walter Schultheiß, für den ich gut und gerne 40 oder mehr Stunden Film schreiben durfte. Er und seine Frau Trudel Wulle haben alle jene Eigenschaften, die man landläufig nicht bei Schauspielern erwartet: Bescheidenheit, absolute Zuverlässigkeit, Respekt vor dem Drehbuch. Walter Schultheiß hat alles, was ich für ihn geschrieben habe, vom Blatt gespielt. Und als einmal ein Regisseur fragte, ob er dies oder das nicht ändern wolle, hat er gesagt. „Der Huby wird sich scho‘ was dabei denkt han.“ Was er zudem für ein großartiger, wunderbarer Schauspieler ist wurde vor drei Jahren mit dem Baden-Württembergischen Ehrenfilmpreis gewürdigt, und ich habe mich sehr gefreut, dass ich  damals die Laudatio auf Walter Schultheiß halten durfte.

Walter Schultheiß hat oft das Etikett Volksschauspieler angeheftet bekommen. Und das klang nicht selten abschätzig. Was für ein Irrtum! Das Volksschauspiel (und da schließe ich manche Film- und Fernseharbeiten mit ein) erreicht oft das höchste Niveau und muss sich vor dem klassischen Schauspiel nicht verstecken. Wer den Film Global Player gesehen hat, wird verstehen, dass damals das ganze Ensemble in Tränen ausbrach, als Walter Schultheiß als Paul Bogenschütz seine Schuldgefühle als Deutscher gegenüber den Juden endlich aussprechen konnte.

Walter Jens hat über das Volkstheater gesagt: „Die Türen öffnen sich, Sterne leuchten über der Alb und das Heimelig-Nahe verbindet sich mit großer Welt.“ Es gebe im Volkstheater großartige Verwandlungen: „Heiterkeit schlägt um in Tristesse, das Deftig-Grobe verschwindet in Dialogen, die von intelligentesten Schlagwechseln geprägt sind: Abreißa ond baue, flenna ond jauchze, jommera ond tanze, dahoim sei ond trotzdem Hoimweh hau. Das alles geht ineinander.“

Das war es, was mich bei meiner Arbeit immer begleitet hat: Das typisch Schwäbische, da so wunderbar weltläufig sein kann. Ohne die Verankerung in meiner Heimat hätte ich vieles nicht schreiben können – auch wenn es in Hamburg oder auf Rügen spielte. Aber wenn es denn Schwäbisch war, ging es eben nicht ohne Protagonisten wie Walter Schultheiß.

Das Jahr, in dem ich ihn für den Baden-Württembergischen Filmpreis ehren durfte, war auch das Jahr, in dem ich 75 wurde. Und es waren Walter Schultheiß und Trudel Wulle, die mir zu diesem Geburtstag eine Ehrung besonderer Art zukommen ließen, eine Ehrung, die es nur hierzulande geben kann. Zu meinem 75. Geburtstag bekam ich von den beiden einen Gutschein über 75 Maultaschen. Die meisten habe ich schon abgerufen. Eine letzte Marche ist noch in Trudels Obhut, und ich werde die Gelegenheit nutzen, da ich wegen des Ehrenpreises hier bin, sie abzurufen.

Vielen Dank!

Auf ‘maultasches Stichwort kam Walter Schultheiß zur Bühne und überreichte mir die restlichen 20 Maultaschen.

Aussichten

Bei den Baden-Württembergischen Literaturtagen 2017 soll ich den Sebastian-Blau-Preis der Schwäbischen Mundartgesellschaft  bekommen.


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