20.01.2019 Feierliche Rede zur Ehrenbürgerschaft von Felix Huby
Von Dr. Wolfram Wenig
Sehr verehrte Damen und Herren,
Lieber Felix Huby,
Eberhard Hungerbühler, schon dieser Name enthält gewürfelt alle Buchstaben, aus denen sich das Wort Ehrenbürger zusammensetzen lässt. Diese höchste Ehrung, die eine Gemeinde verleihen kann, war schon Ihrem Namen innewohnend.
Diese Gemeinde hat das Kunststück vollbracht mit Ihnen zugleich drei weitere Ehrenbürger zu kreieren, nämlich „Felix Huby“, „Christian Ebinger“ und die erdichtete, aber so wirkliche Person „Ernst Bienzle“. Diese drei haben den Flecken zu einem literarischen Schauplatz gemacht. Ihre eigene Biografie haben sie mit dem Ort verwoben, die geschlossene Flecken-Welt und Ihre Protagonisten nach außen getragen, haben furchtlos und respektvoll, immer neue Aspekte hinzugefügt und bleiben hier in Dettenhausen so präsent, wie Sie in Berlin geworden sind.
In der Ausstellung „Kunstart Dettenhausen 2006“ durfte ich Devotionalien wie Ihre legendäre Olivetti Schreibmaschine und das handschriftliche – wohlgemerkt – Manuskript Ihres ersten Krimis, der in wenigen Tagen nach einer Reportage entstanden ist, zeigen. Das war die Verwandlung vom Journalisten zum Dichter.
Nachdem Rudolf Augstein Sie gebeten hatte, unter einem Pseudonym zu veröffentlichen, schickte „Felix Huby“ den Erstling zum Rowohlt Verlag und im Handumdrehen war der „Atomkrieg in Weihersbronn“ unter der Nummer 2411 RoRoRo Thriller erschienen. Eine Reihe, die der Crème de la Crème der Krimiautoren vorbehalten war. Nicht genug: Es war der erste der Flut von Regionalkrimis, die in ihrer Bugwelle schwimmend nachruderten.
Das Rasen des Reporters in Blaubeuren für die Ulmer „Schwäbische Donau-Zeitung“, heute „Südwestpresse“ und in Stuttgart für den „Spiegel“ hat zu der Fülle der Fälle geführt, die Sie als Krimiautor veröffentlichen – nahe an Simenon reichend – und noch nicht fertig damit. 30 Drehbücher für „Tatort“ und andere Fernsehserien verdanken wir Ihrer großartigen Kunst des Dialoges – in Ihren Büchern sprechen die Akteure so gut und analog und emphatisch wie in der Wirklichkeit fast nicht mehr. Dialoge machen Ihre Theaterstücke – fast so viele wie Schiller produzierte – so begehrt und erfolgreich – aber auch hier noch kein Ende! Schließlich die drei prächtigen autobiografischen Bücher: „Heimatjahre“, „Lehrjahre“ und dann, nicht wie zu erwarten Wanderjahre sondern „Spiegeljahre“, verlegt und vorzüglich gestaltet vom „Klöpfer und Meyer“ in Tübingen.
In Ihrer Jugend waren Sie selbst Herausgeber einer Schülerzeitung und erzielten hohe Auflagen mit reichlich Anzeigenkunden und solidem finanziellen Erfolg. 3000 Exemplare wurden für „Kepi“, „Uhland“ und „Wildermuth“ solange hergestellt bis Sie Ihr Abitur in den Sand gesetzt haben und ganz ohne dieses aus dem Stand Lokalredakteur wurden – in Blaubeuren oberhalb der Redaktionsräume mit dem geretteten Hund Wuff oder Sherry sich in einer 4-Zimmerwohnung einrichteten, mit einer riesigen Matratze auf dem Fußboden und dem Öldruck – Christus und Jünger wandern durch ein Ährenfeld – an der Wand lehnend.
Solche unangenehm langen und queren Sätze wie diese eben verklungene von mir, würden Ihnen nie gelingen. Was Sie so strahlen lässt in allen Ihren Büchern, ist Ihre Sprache, Ihre Prosa. Klar fließend, sprudelnd so nüchtern wie bewegt — Ihre Prosa ist Ihre Lyrik. Ihre Geschichten berühren den Leser oft mit dem ersten Satz und lassen ihn nicht mehr los. Man legt das Buch nicht gern aus der Hand. Der Text wirkt wie Kirschen, Himbeeren oder Rumriegel, man muss weiterlesen und wird leicht süchtig. Sie bauen Spannung auf, die hält. Eine unerschöpfliche Fantasie, eine kondensierte Lebenserfahrung und weite Wege und Straßen, die Sie gegangen sind, sowie nicht nachlassende Neugierde und Lerneifer machen die autobiografischen Bücher zu einer ganz besonderen festlichen Lektüre.
Begonnen hat dies alles wenige Schritte von hier – da unten im Schulhaus am 21.12.1938. Von da geht es alte Wege in das Schaichtal oder die Weinhalde — wandern kann man mit Ihnen lernen — an den Eckberg, ins Hirschland, auf den Sauwasen oder hinab in den schwarzen Hau durch die Klingen und Steinbrüche zwischen unfertigen Mühlsteinen hindurch zu den blauen Horizontlinien der Alb. Jusi, Teck und Neuffen, das sind drei große Häufen. Die Landschaftsschilderungen sind kurz, prägnant, nie langweilig, keine Zeilenfüller wie so oft und eignen sich nicht, überlesen zu werden. Der Blick in die Nähe – betaute Gräser, das Blühen in Streuobstwiesen oder die letzte Frucht – der letzte Apfel auf dem Baum, gelassen für den lieben Gott, alles bereichert unser eigenes Wahrnehmen.
Sie haben hunderte Menschen erschaffen, erdacht ins Spiel gestellt, die mit wenigen prägnanten Strichen gezeichnet sind und dann volles Leben ausströmen. Das geht so weit, dass Ihre Schreibfedern, Minen und die Gestalten ein selbstbestimmtes Leben führen, dem Sie nur noch nachlauschen müssen und notieren was geschieht, und ob es gut oder schlecht endet. Für jeden haben Sie Namen gefunden und jeder hat den richtigen bekommen, der zu ihm passt, ein regionales Telefonbuch dürfte gefüllt sein damit, und die Namen klingen nicht artifiziell.
Felix Huby ist theateraffin. Er sucht, wenn er in eine Wirtschaft geht einen Tisch, an dem schon einer oder mehrere sitzen und will hören, hinschauen, reden, wissen, erfahren, beobachten. So lernt er für uns neue Welten kennen und zeigt sie in Theaterstücke verwandelt. Selbst eine Rolle gespielt hat er erst nach jahrelangen Vorbereitungen, dann aber gleich einen König, einen guten obendrein, und aufgetreten ist er hier auf dieser Bühne. Seine Rolle war schon ein paar Jahre zuvor geschrieben worden und zwar für mich. Die letzten zwei Minuten des Stückes, ich war gut vorbereitet, die zwei Spitzhunde, die den König stets begleiteten, waren schon aus Sperrholz ausgesägt. Übrigens: Die Spatzen pfeifen es schon von den Dächern: Diese Sparte Ihres Wirkens wird noch viele Früchte tragen und einige sind schon reife Theaterstücke. Schließlich sind Sie der einzige Theaterautor, für den eine komplette Schrebergartensiedlung zwei Jahre vor der Premiere angelegt wurde, damit einige Heimatjahre unter dem Titel „55 Sommer“ aufgeführt werden konnten. Die Romane, und nicht nur die autobiografischen, enthalten so viele Redensarten und schwäbische Lebensregeln, dass sie zusammen ein Kompendium der empirischen Kulturwissenschaften darbieten. Die Redensart „o du liabs Herrgöttle von Biberach wia hend die d’Mucka verschissa“, muss allein Ernst Bienzle zugeschrieben werden, und ich denke, das ist der Grund, warum nicht nur sein Hut sondern auch sein Mantel im Haus der Geschichte in Stuttgart ausgestellt sind. Die drei großen Romane beschreiben Zeitgeschichte und Kulturgeschichte gleichermaßen, sind spannend, überraschend in vielen entzückenden oder tragischen Episoden. Keiner wird diese vergessen.
Den Weinempfehlungen unserer neuen Ehrenbürger Ebinger und Bienzle kann man getrost vertrauen wie im Übrigen den Speisekarten der Herren, die könnten auch von Vincent Klink stammen. Rostbraten, Maultaschen, Kuddeln, Koteletts, Sauerbraten, Apfelküchle, Schwarzwurst, Kartoffelsalat, warme Butterbrezeln, Sauerkraut, Leberwurst und Spätzle. Immer zu Hand das Kiehnle Kochbuch.
Dass man in Berlin zum Trollinger kein Henkelglas bekommt, wird man akzeptieren müssen, und dass zwei Episoden in Band 1 und Band 2 identisch vorkommen, verwirrt zunächst, aber ist sensationell!
Übrigens: In die Dekoration eingebaut hat Sven Kornherr ein Mordinstrument aus einem Huby Krimi aus einem Verlag in Meßkirch, wer´s errät soll laut den Titel rufen.
Ich zähle auf drei: 1 — 2 — 3
Ergebnis: überraschend
Preis: je 1 Rumriegel
Lösung: Babettes Ballhaus
Ich bin froh in einem Flecken zu leben, dessen erster Ehrenbürger Helmuth Bächle wurde, der aus einem kleinen armen Ort mit kargen Böden einen reichen Ort mit 4600 Einwohnern machte, dem fast nichts mehr fehlte. Ich bin froh hier zu leben, weil der zweite Ehrenbürger Stefan Nau als 17-jähriger Flüchtling mit einem Leiterwagen aus Ungarn kam und hier eine großartige Firma aufgebaut hat und als ein Vorbild an Menschlichkeit unter uns wohnt. Heute bin ich froh, dass Eberhard Hungerbühler mit seinen Gehilfen Felix Huby, Christian Ebinger und Ernst Bienzle Ehrenbürger geworden ist, weil er – ein wahrhaftiger Dichter – unseren schönen Flecken Dettenhausen in die Literatur geführt hat und ihm dort Platz schuf und ihn damit vergoldete.
Danke